Der Fachkräftemangel in der AV-Branche.
Der Winter wird nicht kommen.
Ist AV eine frühlingshafte Branche, hinter der sich eine herbstliche Belegschaft verbirgt? Ist die AV-Branche jung und alt zugleich, gefangen zwischen der Ungezwungenheit ihrer Jugend und der Verantwortung ihrer Reife?
Viele Mitbegründer des Geschäfts arbeiten nach wie vor in diesem Bereich. Denn obwohl sie bereit sind, die Zügel an andere weiterzugeben, haben sie Schwierigkeiten, würdige Nachfolger zu finden. Die Fachzeitschriften sprechen von einem Fachkräftemangel, und es gibt keinen klaren Konsens darüber, wie man ihn lösen könnte.
AV ist noch immer eine junge Branche
Für diejenigen, die in der AV-Branche groß geworden sind, ist es einfach zu vergessen, wie jung dieses Geschäft eigentlich ist. Der Bereich, der sich zu Recht AV nennen kann, und nicht nur „Sprecherunterstützung“ oder „Büroeinrichtungen“, ist vielleicht, wenn es hoch kommt, 50 Jahre alt. Er konnte überleben, indem er dieselben Arbeitskräfte einsetzte, die ihn erfunden haben. Diese bewegten sich in einer in sich geschlossenen Welt, in der bekannte und vertraute Mitarbeiter zwischen Unternehmen hin- und herwechselten, während zahlreiche qualifizierte Freiberufler den Rückgang beim Nachwuchs auffingen.
Wenn neue Kräfte vonnöten waren, kamen sie auf demselben Weg hinzu, den die alten Mitarbeiter genommen hatten: Man half bei regionalen Musikgruppen als Tontechniker aus, übernahm die Beleuchtung für die Abschlussfeier in der Schule, man kannte jemanden, der jemanden kannte, der wusste, dass daraus ein Vollzeitjob werden könnte. Es war bequem, es war persönlich, es funktionierte – und dagegen war nichts einzuwenden. Es war einer von vielen positiven Aspekten der Arbeit in der AV-Branche.
AV wird erwachsen
Das scheint jetzt Vergangenheit zu sein. Doch sollten wir darüber wirklich traurig sein, wenn dieser Abschied eigentlich bedeutet, dass AV erwachsen wird, seinen rechtmäßigen Platz auf der Bühne einnimmt und zu einem unverzichtbaren Teil der breiteren Geschäftswelt wird?
AV spielt nun bei den Großen mit. Die Kompetenzen, die in unserer Branche gefragt sind, sind dieselben, die in der IT, bei Radio und TV und im Online-Bereich gebraucht werden – und diese gehen einher mit einer Dynamik und Gehältern, die diese Branchen für neue Kandidaten äußerst attraktiv machen. Allein die Streaming-Dienste haben zu einer Nachfrageexplosion nach originellem Content geführt – und die Kreativen und Techniker, von denen man sich diesen erhofft, sind genau dieselben Fachkräfte, die im AV-Bereich so dringend benötigt werden.
Drei Herausforderungen in einem
Das macht den Fachkräftemangel im AV-Bereich so schwer lösbar: Es geht um drei miteinander verbundene, aber klar voneinander getrennte Herausforderungen, die zu einem Problemkomplex verwoben sind. Wir haben vorhandene Arbeitskräfte, die in das Alter kommen, in dem viele endgültig aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, einen Pool an potentiellen Bewerbern mit IT-Kompetenzen, die von anderen Branchen stark nachgefragt werden, und eine Tradition der inoffiziellen Anwerbung, die zu einem geringen Interesse unter Neulingen geführt hat.
Die Hebel, die wir einst in Bewegung setzten, funktionieren nicht mehr, und gleichzeitig wächst AV – und benötigt IT-Fähigkeiten, die wir früher nicht sonderlich zu schätzen wussten.
Anwerbung auf Empfehlung wird es selbstverständlich nach wie vor geben, doch die Branche muss allgemein zugänglicher werden und sich mehr nach außen öffnen. Wir können nicht mehr erwarten, dass Kandidaten mit informell erworbenen Fähigkeiten zu uns kommen – oder überhaupt mit irgendwelchen Kenntnissen über AV. Wir können sicherlich nicht erwarten, dass sie mit audiovisuellen Medien arbeiten wollen, nur weil es AV ist. Wir sind jetzt nur ein Ort von vielen, an dem sie ihrem Handwerk nachgehen können.
Der Winter wird nicht kommen.
Das mag ein kleines bisschen beängstigend klingen. Aber so ungewöhnlich ist das gar nicht. Es geht um die gleichen Herausforderungen, die auch andere Branchen kennen und jeden Tag überwinden müssen. Es sind bereits branchenweite Initiativen eingeführt worden, um AV so hochqualifiziert und attraktiv wie möglich zu machen.
Was allerdings eher ungewöhnlich ist, und was Ihnen jeder bestätigen wird, der auf einer beliebigen Ebene in AV gearbeitet hat, ist schlichtweg, wie unbeschreiblich viel Spaß eine Laufbahn in diesem Bereich machen kann. Und das wird sich niemals ändern. Denken Sie daran, und der Winter wird nicht kommen. Er ist in weiter Ferne.