Kaltes Feuer.
Die Geschichte der LED
LEDs haben sich so nahtlos und unauffällig in unser Leben eingeschlichen, dass sie selten die Anerkennung erhalten, die sie eigentlich verdienen. Selbst bis vor wenigen Generationen wäre es völlig absurd gewesen, zu behaupten, man könne Licht ohne Wärme erzeugen. Von der Kerzenflamme bis zur Glühbirne waren die beiden stets untrennbar.
Und dennoch ist es heute gang und gäbe, dass wir Licht fast ohne jegliche Wärme erzeugen und dabei auch noch Energie sparen. Wie ist diese Revolution zustande gekommen? Es ist eine Geschichte verkannter Entdeckungen, eines Wissenschaftlers, der sich alles selbst beibrachte und während der Belagerung Leningrads unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeitete, amerikanischer Unternehmensstärke und dreier Wissenschaftler, die sich durch ihre Beharrlichkeit einen Nobelpreis verdienten.
Ein schwaches gelbes Licht
Wir schreiben das Jahr 1907. Henry J. Round arbeitet an einem Versuch, ein besseres Radio zu entwickeln. Als Assistent von Guglielmo Marconi in London stochert er mit feinen Drähten an verschiedenen Kristallen, in der Hoffnung, einen Kristalldetektor-Empfänger ‒ die erste Art Halbleiterdiode ‒ zu verbessern, als er ein schwaches Licht bemerkt. Bei niedrigen Spannungen ist es gelb und bei höheren Spannungen grün. Insgesamt ist es eher schwach, also schreibt er seine Entdeckungen auf, veröffentlicht sie als Fußnote und vergisst das Ganze als unerklärtes Phänomen. Und das bleibt es auch, bis Oleg Lossew es wiederentdeckt.
Lossew, der 1903 in Russland geboren wurde, hat nie studiert, nie mit Kollegen zusammengearbeitet oder von der Unterstützung durch ein Forschungsteam profitiert. Beruflich stand er nie höher als auf dem Grad eines Technikers, doch wenn irgendjemand es verdient, als eigentlicher Erfinder der LED angesehen zu werden, dann Oleg Lossew.
Unerfüllte Versprechen
Zu seiner Zeit hielten die meisten Experten dieses neuartige Phänomen für eine Art thermoelektrischen Effekt – vielleicht winzige Lichtbögen – denn wie man bereits zu wissen glaubte, konnte es kein Licht ohne Wärme geben. Doch Oleg Lossew war davon nicht überzeugt. Seine Messungen zeigten ihm, dass dies kaltes Licht war, und er vermutete, es könnte etwas mit der neuen Wissenschaft der Quantenmechanik zu tun haben ‒ vielleicht das Gegenteil des photoelektrischen Effekts, den Einstein 1905 entdeckt hatte.
1927 meldete Lossew ein Patent an. „Die vorliegende Erfindung“, schrieb er, „nutzt das bekannte Phänomen der Lumineszenz eines Karborund-Detektors … zum Zweck der … schnellen telegrafischen und telefonischen Kommunikation, der Übertragung von Bildern und anderer Anwendungen.“ Im Jahr 1941, und selbst während der Besetzung von Leningrad, arbeitete er bereits an einem dreipoligen Halbleiter zur Verstärkung, einem Transistor. Seine Arbeit zu diesem Thema ist allerdings verloren gegangen. Er verstarb bereits im Januar 1942. Im Alter von nur 38 Jahren.
Rot und Grün
Die amerikanische Geschäftswelt allerdings hatte davon Kenntnis genommen und im Jahr 1961 patentierten Robert Baird und Gary Pittman eine Infrarot-LED für Texas Instruments – zwar außerhalb des sichtbaren Spektrums, jedoch vielversprechend. Im folgenden Jahr erschaffte Nick Holonyak Jr., ein technischer Berater bei General Electric, unter Verwendung von Galliumarsenidphosphid die erste sichtbare rote LED.
Auf rote LEDs folgten im Jahr 1976 gelbe LEDs, doch blaues LED-Licht mit hoher Intensität ‒ das essenzielle B in RGB ‒ war schwer zu erfassen und blieb es auch bis in die frühen 1990er Jahre.
Die Jagd auf Blau
Die wichtigste und wahrhaft millionenschwere Herausforderung bestand darin, das qualitativ hochwertige kristalline Galliumnitrid zu züchten, das für blaue LEDs benötigt wurde ‒ eine Aufgabe, die viele für nicht realisierbar hielten. Doch die Hartnäckigkeit dreier japanischer Professoren, Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura, zahlte sich aus, und sie wurden dafür im Jahr 2014 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.
Die Ergänzung von rot und grün durch blau führte zu bahnbrechenden Veränderungen. Sowohl weißes Licht war jetzt möglich, als auch vollfarbige LED-Anzeigen, Laserprojektionen ‒ ob Phosphor oder Pur – schmale Hintergrundbeleuchtungen auf TV-Geräten und Smartphones und selbst praktische Anwendungen, um die Erträge in der Hydrokultur zu steigern.
Und wenn man einer blauen LED eine fluoreszierende Beschichtung verleiht, kann man damit die hocheffizienten, energiesparenden weißen Lampen herstellen, die die Kohlenstoffbilanz senken und jetzt in fast jedem Haus und jedem Auto verbaut sind. Als Henry J. Round mit einem Draht gegen einen Kristall stocherte, konnte er nicht ahnen, dass er damit eine Kette von Ereignissen in Bewegung setzte, die unsere Welt verändern würden.